Rüstung und Waffen - Einfaches knechtisches Armzeug

Einfaches, knechtisches Armzeug mit halben Armröhren und Ellenbogen
Detail der flachen EllenbogenDetail der Schultern
(2. H. 15. Jhd)
Mit dem verstärkten Einsatz von getriebenen Plattenteilen als Teil des ritterlichen Harnisches tauchten im Verlaufe des ersten Viertels des 14ten Jahrhunderts zunehmend getriebene Platten für die Armgelenke auf. Während in England und Frankreich sich bereits in der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts stählernes Armzeug mit Ellenbogenbuckel und/oder Stechscheiben (-> Frühe Schwebscheiben) etablierten, verliess man sich im deutschen Raum bis zur Jahrhundertmitte primär auf den Ringpanzer.
Speziell in Deutschland und Frankreich verbreitet waren Segmentierte Armschienen, bestehend aus auf Leder genieteten Metallstreifen.
Im Verlaufe der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts, setzte sich, wenn auch langsam, auch im deutschen Raum das vollständig getriebene Armzeug aus Stahlplatten als Schutz der Arme durch. Dies blieb zunächst aus seperat an den Arm geschnallten Teilen bestehend, wurde jedoch relativ schnell beweglich verbunden, und um 1400 dominierte in Europa das Armzeug italienischer Natur, dessen Konstruktion sich bis in das 15te Jahrhundert zunächst nur wenig veränderte.
Schließlich gabelte sich die Entwicklung in eine Vielzahl dem Gebrauch angepasster Varianten auf, insbesondere enstand als charakteristisches Merkmal von Armpanzerung italienischer Herkunft eine Asymmetrie, die der neuen beidhändigen Kampfweise mit dem Schwert, und dem Einsatz größerer Lanzen Rechnung trug. Die oft einteiligen Ellenbogen wurden nunmehr unterschiedlich groß ausgeführt, oder mit einer übergroßen Verstärkungsplatte versehen, unter der noch die dem 14ten Jahrhundert ähnlichen Ellenbogenbuckel verborgen waren. Ebenso an der Schulter wurde des öfteren eine solche abnehmbare Verstärkungsplatte befestigt. Zusammen mit der geteilten Harnischbrust wird zwischen 1420-1440 in Italien der Harnisch somit zu seiner Vollendung geführt, und wurde später nur noch wenig verändert. In Deutschland, wo zunächst mit dem Kastenbrustharnisch in Kombination mit altmodischen Armzeugen, oder italienischen Lösungen, ein etwas eigenwilliger Stil herrschte, wurde relativ bald der Harnisch italienischer Konstruktionsweise übernommen, der durch glatte Formen dominiert war, und hier ebenfalls die geteilte Brustplatte einführte. Erst in der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts bildete sich mit dem deutschgotischen Harnisch ein durch eigene Stilelemente geprägter Plattenharnisch heraus, der jedoch häufig noch in Italien für den Export gefertigt wurde.
Parallel zu den großen Schultern und Armzeugen für den Einsatz mit eingelegter Lanze zu Pferde, bei dem normalerweise Armzeug und Schultern getrennt waren, entstand aus dem Armzeug des 14ten Jahrhunderts ein zusammenhänger Armpanzer leichterter Natur, dessen Schulter immer noch dessen ursprüngliche Herkunft erkennen lässt: das leichte, oder "knechtische" (auf Grund seiner Beliebtheit bei Fusssoldaten oder "Fussknechten") Armzeug. Dieser normalerweise mittels Lederstreifen miteinander verbundene Armpanzer benötigte keine weiteren Befestigungspunkte, so dass keinerlei spezielle Unterkleidung getragen werden musste, was dim Einsatzzweck sehr entgegenkam. Dennoch war es weit verbreitet, das gerade die Schulter- und Achselpartie schlecht schützende Armzeug durch Schwebscheiben (-> spätgotische Schwebscheiben) und auf das Wams aufgenähte Ringpanzerflecken, oder seperat getragene Ringpanzerteile (-> Ringpanzerkragen) zu ergänzen.

Weitere zugehörige Harnischteile in diesem Zeitrahmen

Varianten

  • Großes Armzeug

Vorläufer früherer Jahrhunderte


 

Vorlage

Das vorliegende Armzeug ist eine Rekonstruktion eines knechtischen Armzeugs, heute in den Royal Armouries, Leeds. Weitere Vergleichsbeispiele befinden sich in der Wallace Collection, in München uvm.

Schulter und Oberarmhalbröhren sind mittels Lederstreifen und Gleitnieten verbunden. Die Ellenbogen sind ebenfalls mittels Lederriemen mit den Oberarmen und Unterarmhalbröhren verbunden. Die Nesteln zur Befestigung (nicht im Bild) sind aus gewachstem Leinen ausgeführt, und mit Spitzen aus Messing versehen, die einen aufgesetzten, verzierten Kopf haben. Funde derartiger Spitzen sind uns nicht bekannt, sie sind jedoch u.a. auf den Fragmenten einer Statue in Chartes, Frankreich dargestellt.

Ergänzt wird es durch Spätgotische Schwebscheiben bzw. die auch in Leeds montierten:

-> Große spätgotische Schwebscheiben

Eine Arbeit von Roman Tereschenko. Wir danken <a href="http://www.plattnerei-wiedner.de" target="_blank">Christian Wiedner</a> für die Endanpassung.

Leichte Armzeuge in den Royal Armouries in Leeds, und der Wallace Collection (Mitte)
(In unserem Besitz seit 04/2012 / Stand 23.09.2013)
 

Quellangaben

Thunsches SkizzenbuchCod. a8, Fideikommißbibliothek Thun-Hohenstein in Tetschen/ Böhmen, "Thunsches Skizzenbuch"
Graphitzeichnung, Coburg, spätes 15tes JahrhundertGraphitzeichnung, Coburg, spätes 15tes Jahrhundert. Geharnischter mit Lanze.
Deutscher Harnisch, spätes 15. Jhd, Royal ArmouriesDeutscher Harnisch, spätes 15. Jhd, Royal Armouries Leeds, England.
Leichtes Armzeug, Privatsammlung, 15tes JahrhundertLeichtes Armzeug, Privatsammlung, 15tes Jahrhundert, Süddeutschland
Verschiedene Harnischschultern und Armzeuge, Rüstkammer ChurburgVerschiedene Armzeuge und Harnischschultern in den Beständen der Rüstkammer Schloss Churburg, Südtirol
Spätgotischer Harnisch, Royal Armouries, LeedsSpätgotischer Harnisch No. II.168, III.1354 in den Royal Armouries, Leeds, England. Ca. 1450-80, Norditalienische Arbeit
Harnischschultern, Bayrisches Nationalmuseum, MünchenEinzelne rechte Harnischschulter, Bayrisches Nationalmuseum, München, spätes 15tes Jahrhundert
Harnisch A20, Wallace CollectionZusammengestellter Harnisch No. A20 in der Wallace-Collection, England. Spätes 15tes Jahrhundert, mit Ergänzungen aus dem 19ten Jahrhundert. Teilweise Werk des Insbrucker Meisterplattners Treytz
 

Empfohlene Literatur


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. Kleidung und Waffen der Spätgotik III 1420-1480 .
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Kleidung und Waffen der Spätgotik III 1420-1480
Ulrich Lehnart, Karfunkel Verlag
Das vierte Buch der Reihe von Ulrich Lehnart behandelt schliesslich den Zeitrahmen ab ca. des zweiten Viertels des 15ten Jahrhunderst, und knüpft somit an das vorangegangene Buch nahtlos an. In diesem Band widmet sich Ulrich Lehnart besonders die Entwicklung des spätgotischen Harnisches und der dafür notwendigen Industrie. Darüber hinaus geht er auf die kostümgeschichtliche Entwicklung bis zur Frührenaissance ein. Die Farbtafeln besitzen die gewohnte Qualität und als Einstieg und Überblick in das entsprechende Zeitfenster ist dieser Band nicht schlecht, nur leider streckenweise zu unstrukturiert, und lässt die Bekleidung der einfachen Bevölkerung leider ziemlich aussen vor, ähnlich die Bewaffnung. Zudem lassen sich schon nach groben Studium einige Fehler in der Interpretation der gewählten Vorlagen, als auch in den seit dem letzten Band häufiger gewählten Umsetzungen, die als Foto abgedruckt sind, erkennen. Als Teil des Gesamtreihe ist dieser Band interessant, als Einstieg wegen der zahlreichen doch teils gravierenden Fehler und Ungenauigkeiten aber leider nur bedingt zu empfehlen. Positiv ist u.a. das Verzeichnis an Sekundärlitertur und Quellen zu erwähnen, die einen guten Rechercheansatz liefert.
3935616171 (German).
 

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