Kleidung - Herrencotehardie

Cotehardie aus krappgefärbtem, feinem Wollstoff, mit Futter aus indigogefärbter Seide
(ca. 1345 - 80)

Obwohl der Kittel (altfranz. Cotte, altitalienisch Cotta), oder auch die Tunika, auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, in der er in knielänge getragen wurde, dominiert vor dem Anbruch des zweiten Viertels des 14ten Jahrhunderts in Mitteleuropa die knöchellange Version die Mode der höheren Stände, und der einfache Kittel verbleibt ein Kleidungsstück für notwendige Anlässe, und die arbeitende Bevölkerung. Sein bis dato, wie bei der Damenwelt, weiter Faltenwurf lässt die Kostümwissenschaft im 2. Viertel des 14ten Jahrhunderts einen entscheidenden Wendepunkt definieren, mit der Verkürzung der männlichen Mode über alle Stände hinaus, und der \"Vergeschlechterung\" der Mode. Dies ist bedingt durch die neue Strömung in der mitteleuropäischen Männermode, die Oberbekleidung nunmehr zunächst zaghaft bis zu den Knien, dann aber zunehmend knapper bis zum Schritt zu verkürzen. Begleitet wird diese Verknappung mit einer grundsätzlichen Änderung des Stils der Mode, der diese zusehends nicht mehr als weites, faltenreiches Kleidungsstück konzipiert, sondern es eng auf den Körper anpasst, in den Jahren nach 1350 sogar den entscheidenden Schritt vollzieht, der die Mode sowohl bei Mann und Frau auf lange Zeit hin dominieren wird: der Modellierung des Körpers.
Ab ungefähr der Mitte des 14ten Jahrhunderts erscheint der modische Mann in einem knie-bis Schrittlangen Kleidungsstück, das eng tailliert, mit einer Vielzahl an möglichen Verschlussarten verschlossen wird, wobei hier klar der Knopfverschluss dominiert. Insbesondere am Unterarm wird es Mode, teils dutzende von kleinen Knöpfen anzubringen. Gleichzeitig bringt die neue Art des Klediungsschnittes viele neue Techniken hervor, wie etwa neue Formen, die Ärmel einzusetzen, bei der die Naht bis über die Brust reicht. Wie schon seit längerer Zeit ist hierbei die französische Mode prägend, und prägt hiermit den Begriff der \"Grande assiette\".
Durch die zusehends komplizierten Schnitte erlebt auch die Textilindustrie einen wahren Boom, und neue Berufsgruppen, wie die des \"Tailleurs\" (vergl. engl. Tailor), des Schneiders im Sinne eines Schneiders für körpernahe, angepasste Schnitte, entstehen.
In der Folge der knapperen Mode wird auch die Beinbekleidung einem Wandel unterzogen. Blieb bis dato der Beinling (-> Beinlinge ), frontal an der Unterhose befestigt, noch mehr oder weniger durch den Kittel verborgen, tritt er nun bis hin zum Oberschenkel zu Tage, was die Notwendigkeit nach sich zieht, für einen dauerthaft engen Sitz zu sorgen, der selbst bei engem Zuschnitt durch diese Art der Befestigung nicht gewährleistet ist. Es entstehen neue Formen, die, wesentlich höher zugeschnitten, bis zum Schritt reichen, die Seiten und später sogar das Gesäß nahezu vollständig bedecken, und mit mehreren Nesteln zunächst an Unterhose, und später am Wams befestigt werden.

Entwicklungslinie des Kittels von der ersten Hälfte des 13ten Jahrhunderts an:

 

 

Vorlage

Die vorliegende Cotehardie wurde nach verschiedeenen Vorlagen, primär aus dem französischen Raum, um 1345-60, gefertigt. Sie besteht aus einem krappgefärbtem, sehr feinem Wollstoff in Leinwandbindung, mit einem Futter aus indigogefärbter Seide, und ist mit einer Vielzahl an Zinnknöpfen nach Londoner Funden verschlossen. An den Ärmeln wurden Nestelbänder aus Seide und Goldlahn angebracht.
Detail aus dem MS. G.24. um 1350, Flandern/Frankreich
(In unserem Besitz seit 01/2006 / Stand 11.12.2012)
 

Quellangaben

Spectaculum humanae salvationisHS 2505 "Spectaculum humanae salvationis" Handschrift, Deutschland, 1360
Manuscript der Morganlibrary MS G. 24MS G. 24 der Morganlibrary, Frankreich, 1350-60.
Roman de la RoseHandschrift des französischen Roman de la Rose (ab 13.Jhd, Hier: Folianten um 1350-60). Der Roman de la Rose ist ein Versroman mit zentralem Minnethema und eines der wichtigsten Werke der französischen Literatur des Mittelalters. Er ist in zahlreichen Manuscripten von 1250 bis 1500 erhalten, und wurde auch später noch gedruckt. Damit hatte er einen massiven Einfluss auf die französische Literatur. Die zahlreichen Miniaturen der einzelnen Manuskripte machen diese zu einer hevorragenden ikonographischen Quelle des französischen Mittelalters. Mehr unter Wikipedia
AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
Petites heures de Jean de BerryPetites heures de Jean de Berry (BNF Latin 18014), Frankreich, Paris, ca. 1375

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