Kleidung - Spätmittelalterliche Halbschuhe

Teilweise mit Eisenspänen und Essig schwarz gefärbte, spätmittelalterlicher Halbschuhe
Detail der frontalen Zunge mit durchgeschobenem LederverschlussbandSchuhe mit umgeklappten Schaftrand, wie es häufig in Darstellungen zu beobachten ist
(zweite Hälfte 15tes Jahrhundert)

Über kaum einen Bestandteil der mittelalterlichen Kleidung sind so viele Informationen vorhanden, wie über die Schuhe. Zahlreiche Fundkomplexe, sowie Einzelfunde, über ganz Europa, lassen die Anzahl an teilweise vollständig erhaltenen Schuhen auf mehrere tausend, oder gar zehntausend, anwachsen. Auffällig hierbei ist neben der grundsätzlich einheitlichen Konstruktion der geringe regionale Unterschied an Schuhmodellen.
Der mittelalterliche Schuh ist wendegenäht, was bedeutet, dass das Oberleder mit der Sohle zunächst "auf links", das heisst, mit der Fleischseite nach aussen, vernäht wird, und anschliessend im feuchten Zustand gewendet wird. Resultierend ist die Naht innenliegend, was die Verbindung sehr robust macht. Nachteilig bei dieser Konstruktion, die erst ab ca. 1500 langsam durch die Rahmenbauweise abgelösst wird, ist, dass Oberleder und Sohle nur eine bestimmte Dicke aufweisen können, damit der Schuh noch gewendet werden kann. Jedoch konnten solche Schuhe mit zusätzlicher Sohle, oder Sohlenflicken (siehe z.B. Geschnürte Schuhe )ausgestattet werden, und wurden an entscheidenden Stellen, wie Ferse, Verschlüsse, oder sogar seitlich mit weiteren Einsätzen verstärkt (siehe Detailbilder), was den resultierenden Schuh durchaus sehr stabil macht.
Anders als es noch bis vor wenigen Jahren in der Lehre zum Schuster vermittelt wurde, wurden im Mittelalter selbstverständlich sowohl linke, als auch rechte Schuhe produziert, und die häufig auf Leisten (die ebenfalls im Fundgut präsent sind) gefertigten Schuhe weisen teilweise auf einen hohen Grad an handwerklichen Geschick seitens des Herstellers hin.

Die Anzahl der Schuhfunde, sowie weitere Quellen, sprechen trotz allem für einen hohen Verbrauch an Schuhen beim mittelalterlichen Menschen, und sowohl Flickschuster (der die kaputten Schuhe flickte), als auch Altmacher (der aus mehreren verschlissenen Schuhen neue herstellte) sorgten dafür, dass sich praktisch jeder Mensch Schuhe leisten konnte.
Wie auch die restliche Kleidung unterlagen Schuhe der Mode, und im Verlaufe des zweiten Viertels des 14ten Jahrhunderts wird die generelle Tendenz, Schuhen mit einer stärkeren Spitze zu versehen, durch die Mode der sogenannten "Poulaines" (->Einfache Poulaines) "auf die Spitze" getrieben. Darüber hinaus stellt sich auch in der alltäglichen Schuhmode ein längerer Trend zu einer ausgeprägten Spitze ein, der bis um 1500 anhält, um wiederrum durch das andere Extrem, den Kuhmaulschuh, so benannt nach der stumpfen Vorderseite, abgelösst zu werden. Der hier gezeigte Vertreter stellt einen relativ typischen Schuh gegen Ende des Mittelalters dar, der über eine ausgeprägte, jedoch nicht störende Spitze, und über charakteristische, umklappbare Schaftränder verfügt.

 

Vorlage

Dieses Paar Schuhe stellt eine Rekonstruktion eines Fundes aus Vevey in der Schweiz dar. Die Naht der Spitze kann vom Original nicht mehr eindeutig ermittelt werden, ihre Art lässt aber auf eine mit ein paar aussen verlaufenden Stichen vernähte Spitze, ähnlich derer bei Poulaines, schliessen, da sie nicht mehr gewendet werden kann.

Das Leder wurde teilweise mit Eisenspänen und Essig schwarz gefärbt, eine Rezeptur, die sich spätestens im späten 15ten Jahrhundert nachweisen lässt. Zahlreiche Darstellungen auf Gemälden aus Süddeutschland zeigen ebenfalls schwarze Schuhe, wobei sich nicht mehr ermitteln lässt, ob in dem Falle das Leder schwarz gegerbt wurde, oder es nachträglich mit beschriebenen Rezept gefärbt wurde. Die leichte Spitze, und die umklappbaren Schaftränder sind ebenfalls typisch für Darstellungen des Zeitrahmens.

Gefertigt von Klaus Öchsler.

Verschiedene Darstellungen von Schuhformen aus dem späten 15ten Jahrhundert
(In unserem Besitz seit 01/2010 / Stand 09.11.2010)
 

Quellangaben

Gemälde aus St. Martin, ForchheimGemälde aus der St. Martinskirche, Forchheim, Oberfranken, nahe Nürnberg. Spätes 15tes Jahrhundert
Spätmittelalterliche Gemälde aus NürnbergVerschiedene Gemälde aus Nürnberg (Nürnberger Lorenzkirche, Germanisches Nationalmuseum), aus dem Zeitraum 1380-1500.
Schuhfunde aus Vevey, SchweizSchuhe der St. Martinskirche in Vevey, Schweiz. Interessant insbesondere ob des FuUndspektrums, das frühe rahmengenähte Schuhe um 1500 mit einschliesst.
Wolfegger HausbuchHausbuch des Fürsten von Waldburg-Wolfegg, ca. 1475-85, auch "Wolfegger Hausbuch". Eine der bedeutensten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode.
Hausbuchmeister, 15tes JahrhundertDarstellungen der oder des sogenannten "Hausbuchmeisters", benannt nach seiner/ihrer Arbeiten am Hausbuch von Schloss Wolfegg. Genauere Bezeichnung wären "Meister des Amsterdamer Kabinetts", da es sich um vermutlich mehrere Personen handelten, deren Grossteil an Arbeiten sich heute im Amsterdamer Rijksmuseum zu finden sind. Der oder die vor allem am Ober-und Mittelrhein täten Künstler waren mit ihrer Arbeit wegweisend für die spätmittelalterliche Kunst, und gehörten neben Schongauer zu den bedeutensten deutschen Kupferstecher und Zeichner. Wirkungszeitraum ca. 1470-1505. Details siehe Wikipedia.
Meister des SchottenaltarsMeister des Schottenaltars auf: Flügelaltar Schottenstift, Wien, Österreich. Datiert 1469-1480
 

Empfohlene Literatur


. . .
. Venus und Mars: Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg .
. .
. .
. . .
Venus und Mars: Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg
Graf zu Waldburg Wolfegg, Prestel Verlag
Das mittelalterliche Hausbuch stellt mit seinen 63 illustrierten Pergamentblättern mit bürgerlichen und adligen Leben, sowie Illustrationen technischer Geräte, eines der bedeutensten Bildwerke spätmittelalterlicher deutscher Bildkunst dar, und ist eines der besten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode, insbesondere im Raum Augsburg bis Nürnberg.
379131839 (German)
 

. . .
. .
. .
. .
. . .
Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts
J. P. Filedt Kok, Rijksmuseum Amsterdam
Ausstellungskatalog des Rijksmuseum Amsterdam zur gleichnamigen Ausstellung 1985. Universelles Werk zur Mode im späten 15ten Jahrhundert, insbesondere in Deutschland, sowie dem genannten Meistern des Amsterdamer Kabinetts und anhängiger Kupferstecher und Maler. Absolutes Muss für Darsteller des späten 15ten Jahrhunderts in Deutschland.
66137-92594 (German).
 

<< Zurück zu anderen Gegenständen in dieser Kategorie