Kleidung - Kurze Cotehardie

Cotehardie aus wallnussgefärbter Wolle, mit Füterung aus krappgefärbtem Leinen, und ZierstickereiVorderansicht mit durchgehender Knopfleiste, diesmal mit Gugel
Profilansicht: ungeschlitzer, ungefälteter Rockteil
(1340 - 1390)

Obwohl der Kittel (altfranz. Cotte, altitalienisch Cotta), oder auch die Tunika, auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, in der er in knielänge getragen wurde, dominiert vor dem Anbruch des zweiten Viertels des 14ten Jahrhunderts in Mitteleuropa die knöchellange Version die Mode der höheren Stände, und der einfache Kittel verbleibt ein Kleidungsstück für notwendige Anlässe, und die arbeitende Bevölkerung. Sein bis dato, wie bei der Damenwelt, weiter Faltenwurf lässt die Kostümwissenschaft im 2. Viertel des 14ten Jahrhunderts einen entscheidenden Wendepunkt definieren, mit der Verkürzung der männlichen Mode über alle Stände hinaus, und der "Vergeschlechterung" der Mode. Dies ist bedingt durch die neue Strömung in der mitteleuropäischen Männermode, die Oberbekleidung nunmehr zunächst zaghaft bis zu den Knien, dann aber zunehmend knapper bis zum Schritt zu verkürzen. Begleitet wird diese Verknappung mit einer grundsätzlichen Änderung des Stils der Mode, der diese zusehends nicht mehr als weites, faltenreiches Kleidungsstück konzipiert, sondern es eng auf den Körper anpasst, in den Jahren nach 1350 sogar den entscheidenden Schritt vollzieht, der die Mode sowohl bei Mann und Frau auf lange Zeit hin dominieren wird: der Modellierung des Körpers.


Ab ungefähr der Mitte des 14ten Jahrhunderts erscheint der modische Mann in einem knie-bis Schrittlangen Kleidungsstück, das eng tailliert, mit einer Vielzahl an möglichen Verschlussarten verschlossen wird, wobei hier klar der Knopfverschluss dominiert. Insbesondere am Unterarm wird es Mode, teils duzende von kleinen Knöpfen anzubringen. Gleichzeitig bringt die neue Art des Kleidungsschnittes viele neue Techniken hervor, wie etwa neue Formen, die Ärmel einzusetzen, bei der die Naht bis über die Brust reicht. Wie schon seit längerer Zeit ist hierbei die französische Mode prägend, und prägt hiermit den Begriff der "Grande assiette".
Durch die zusehends komplizierten Schnitte erlebt auch die Textilindustrie einen wahren Boom, und neue Berufsgruppen, wie die des "Tailleurs" (vergl. engl. Tailor), des Schneiders im Sinne eines Schneiders für körpernahe, angepasste Schnitte, entstehen.
Neben der Verknappung von Knielang, über ca. bis Mitte Oberschenkel, bis in der zweiten Jahrhunderthälfte schliesslich gerade mal bis zum Schritt reichend, wird auch der nunmehr glatt und faltenlos stärker exponierte Kleidungssaum zunehmend Ziel von Verzierungen, angefangen von den zeittypischen Zaddeln, bis über Zierstickereien, die in Bildquellen jedoch vergleichsweise selten anzutreffen sind, insbesondere im deutschen Raum.
In der Folge der knapperen Mode wird auch die Beinbekleidung einem Wandel unterzogen. Blieb bis dato der Beinling (-> Beinlinge ), frontal an der brůch (Mhd., -> Unterhose ) befestigt, noch mehr oder weniger durch den Kittel verborgen, tritt er nun bis hin zum Oberschenkel zu Tage, was die Notwendigkeit nach sich zieht, für einen dauerthaft engen Sitz zu sorgen, der selbst bei engem Zuschnitt durch diese Art der Befestigung nicht gewährleistet ist. Es entstehen neue Formen, die, wesentlich höher zugeschnitten, bis zum Schritt reichen, die Seiten und später sogar das Gesäß nahezu vollständig bedecken, und mit mehreren Nesteln zunächst an brůch (Mhd.), und später am Wams befestigt werden (siehe u.a.: Limburger Chronic).
Mit der Einführung des Wamses, und dessen Bedeutungsgewinn vom Teil der Unterwäsche zum zumindestens teilweise sichtbaren Teil der Oberbekleidung, verändert sich auch die Funktion der nach aussen sichtbaren Schicht, die schliesslich im späten 14ten bis 15ten Jahrhundert in der zunehmend optionalen "Schecke" (vergl. Ausführungen im Darstellungszeitrahmen 1475) mündet, deren Bezeichnung die der heute für uns bekannten "Jacke" etymologisch vorwegnimmt. Obwohl begrifflich schwer fassbar, wird in französischsprachigen Quellen des 14ten Jahrhunderts aus Frankreich und England die Oberbekleidung des Mannes, als auch der Frau verschiedentlich als "Cote hardie" bezeichnet, also "gewagter Kittel" oder "gewagtes Kleid". Es ist anzunehmen, dass die deutsche "Schecke" dem entspricht, oder zumindestens ähnelt.

Entwicklungslinie des Kittels von der ersten Hälfte des 13ten Jahrhunderts an:

 

Vorlage

Die Cotehardie wurde auf Basis verschiedenere Darstellungen, primär aus dem französischen Raum, aus mit Wallnuss gefärbter Wolle gefertigt, und mit Krapp gefärbtem Hanfleinen abgefüttert. Sie ist mit ebenfalls wallnussgefärbter Wolle und krappgefärbtem Hanfleinen vernäht, und frontal wie an den Unterarmen mit Stoffknöpfen nach Befunden aus London verschlossen. Die Säume sind durch eine einfache geometrische Zierstickerei aus mit Indigo und Reseda, sowie Krappgefärbter Wolle versehen, wie sie in einigen Darstellungen aus dem französischen Raum zu beobachten ist, und in zeitgenössischen Beschreibungen des Raumes wiederkehrt. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass bei den Darstellungen das Material nicht erkennbar ist, und in Textquellen vor allem hochwertigere Kleidungsstücke mit Seidenstickereien erwähnt werden. Befunden u.a. aus Herjolfness (Grönland) von einfacheren Textilien weisen teilweise ebenfalls einfache kontrastierende Verzierungen aus Wolle an Säumen auf.

Anders als bei späteren Varianten dieses Kleidungsstückes ist dieses noch nicht mit seitlichen Schlitzen versehen.
Verschiedene Handschriften, Paris, Frankreich/ Flandern, um 1350
(In unserem Besitz seit 01/2008 / Stand 09.06.2010)
 

Quellangaben

SachsenspiegelAusgabe des Sachsenspiegels, ca. 1350, Deutschland
Manuscript der Morganlibrary MS G. 24MS G. 24 der Morganlibrary, Frankreich, 1350-60.
MS. 1029MS. 1029, Bibl. Sainte-Geneviève, Paris, 1350
Bible Sainte-Geneviève, 1350Bible Sainte-Geneviève, Paris, um 1350
BNF Fr 12, Lancelot du LacBNF Fr 12, Lancelot du Lac, Frankreich, 1350-60
Roman de la RoseHandschrift des französischen Roman de la Rose (ab 13.Jhd, Hier: Folianten um 1350-60). Der Roman de la Rose ist ein Versroman mit zentralem Minnethema und eines der wichtigsten Werke der französischen Literatur des Mittelalters. Er ist in zahlreichen Manuscripten von 1250 bis 1500 erhalten, und wurde auch später noch gedruckt. Damit hatte er einen massiven Einfluss auf die französische Literatur. Die zahlreichen Miniaturen der einzelnen Manuskripte machen diese zu einer hevorragenden ikonographischen Quelle des französischen Mittelalters. Mehr unter Wikipedia
AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
Funde von HerjolfsnesIn dem Fundkomplex bei Herjolfsnes, Grönland, wurden zahlreiche Textilien des Zeitraumes 1300-ca.1420 gefunden, womit es eine der bedeutensten Fundquellen für spätmittelalterliche Textilien darstellt.
LondonfundeTextil-, Metall-, Buntmetall-, Holz-, Leder und Schuhfunde aus dem Hafenbecken von London
 

Empfohlene Literatur


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. Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland .
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Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland
Else Ostergard, Aarhus Universitetsforlag
Die Neuanalyse der Textilfunde im grönländischen Herjolfnes birgt an sich wenig spektakuläre Neuerungen gegenüber den ursprünglichen von Nordlund, durch die sehr plastischen Fotos der Originalstücke, der beigefügten Schnitte mit Maßen, den Kapitel über Textilverarbeitung in Grönland aber gewinnt das Buch einen ausserordentlichen Reiz für jeden Darsteller mit Interesse an Textilfunden.
8772889357 (German).
 

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. Dress Accessories, c.1150-c.1450 .
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Dress Accessories, c.1150-c.1450
Geoff Egan, Frances Pritchard, Boydell Press
Aus der Reihe "Medieval Finds from Excavations in London" bietet dieses Buch einen faszinierenden Überblick über die Funde mittelalterlicher Gürtel, Schnallen, Nadeln und anderer Accessoirs aus dem Hafen von London.
0851158390 (German).
 

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. Textiles and Clothing , C.1150-C.1450 .
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Textiles and Clothing , C.1150-C.1450
Elisabeth Crowfoot, The Boydell Press
Das Buch zu den Textilfunden aus dem Hafenbecken von London aus der Reihe der Londonfunde bietet neben der Analyse der Textilien interessante Details zur Textilindustrie speziell des 14ten Jahrhunderts in England, und stellt auf Grund der detaillierten Auswertungen der Verarbeitungstechniken, Materialien und Färbungen eine Pflichtlektüre für hoch-und spätmittelalterliche Textilrekonstruktion dar.
1843832399 (German).
 

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